Porto Novo – Neuer Hafen, alter Glanz

Die Kapverdischen Inseln sind wie ein farbenfroher Laubbaum, dessen Setzlinge im Herzen des Atlantiks ausgesät wurden. Seine Zweige ragen in die große weite Welt hinaus. Jedes Blatt ist ein geliebter Sohn, der sich auf der Suche nach einer besseren und würdevolleren Zukunft in die Ferne gewagt hat. Das kleine und geschätzte Archipel ist Wiege der Liebe und Nostalgie, dessen Volk in Frieden und lebensbejahender Frömmigkeit vereint ist. Man muss nicht zwischen den Zeilen lesen, um a wengerl ein Gefühl für den sagenumwobenen Weltschmerz Saudade zu bekommen.

Mit einer gelebten Lebenseinstellung wie dem hawaiianischen Aloha, dem griechischen Siga-Siga oder dem afrikanischen Hakuna Matata muss man selbst auf Tuchfühlung gehen, um ein Feeling für dieses Gefühl zu bekommen. Dieser way of life ist unübersetzbar. Einen ersten Hauch der lusophonen, sanften Melancholie spürt man bei einer lauen Sommernacht im Herzen Portugals. Am Ufer des Rio Mondego saß ich und weinte. In Coimbra, dem einstigen Zentrum der ersten Weltmacht, und heutiger Fado Metropole zupfen in traditioneller Studentenracht gekleidete Männer die doppelchörigen Stahlsaiten der Guitarra portuguesa. Die unverkennbaren Gitarrenklänge werden durch improvisierten, tiefgründigen und wehmütigen Gesang begleitet. Die Anwesenheit der Abwesenheit liegt in der Luft. Auf der Suche nach dieser unergründlichen, tiefen und nostalgischen Emotion setzen wir unsere Reise von der ehemaligen Hauptstadt Portugals in die Hauptstadt Santo Antãos fort.

Der Reisende möchte dorthin fahren, wo es keine Touristen gibt. Das bergigste und schönste Eiland des Inselstaates ist nur auf dem Seeweg zu erreichen und zum Glück vom Massentourismus verschont geblieben. Frühmorgens am Hafen von Mindelo begeben wir uns auf die Suche nach der mystischen Saudade. Die hübsche Ehefrau im Arm und die geliebten Kinder auf dem Schoß blickt Landwirt João, der für mehrere Monate zur Zuckerrohrernte auf die Nachbarinsel übersetzt, gedankenverloren in den rauen, grenzenlosen und tiefblauen Atlantik. Der scheidende Familienvater schlürft mit gesenktem Haupt und herabhängenden Schultern an seinem Kaffee: „Die Saudade wurde unter den Fazendeiros (Bauern) geboren”. Darüber kann der Kapitän der Chiquinho nur schmunzeln: „Schau hinaus, in den tosenden Atlantik, im Meer wurde die Saudade geboren! Ihr Landwirte seid doch nur ein, zwei Monate weg von der Familie, wir Seefahrer entbehren unsere Geliebten oftmals für ein ganzes Jahr!”

So sicher wie das Nationalgericht Cachupa zum Frühstück werden Sie als Urlauber die Saudade bereits nach wenigen Tagen fühlen. Von der Leichtigkeit des Seins, der liebevollen aber nicht aufdringlichen Gastfreundschaft und der steten Feierlaune der Insulaner geküsst, saugen Sie den einmaligen Inselflair und diese natürliche, nicht inszenierte Urlaubsstimmung regelrecht auf. Sobald der Abschied von Ihren herzlichen Gastgebern naht, fühlen Sie sich in die Bronzehaut der aufwendig gestalteten Statue am Hafen versetzt.
Dolce Vita, Savoir-vivre und La vida es una ist sowas von ausgelutscht, es ist höchste Zeit einen neuen way of life zu erleben. Einziger kleiner Haken, man muss dafür zuerst in neue Welten aufbrechen, also ab nach Cabo Verde! Gestattet mir den Nationaldichter Eugénio Tavares zu zitieren: „Si ka badu ka ta biradu – Wenn man die Heimat nicht verlässt, kann man auch nicht zurückkehren.”